Rechtsprechungsübersicht zu § 46 a StGB
Die folgende Entscheidungssammlung gibt einen knapp gefassten Überblick über die maßgeblichen Entscheidungen zum TOA, zusammengefasst nach Deliktsgruppen (in Anlehnung an Entscheidungsübersicht von Götting, LMU München, Lehrstuhl Schöch, n.v.).
1. Vermögensdelikte
Fund- stelle |
Delikt |
TOA |
TOA |
Leistungen |
Bay ObLG 3 St |
266 |
möglich |
nicht schieden |
Schmerzensgeld anerkenntnis |
OLG |
263, |
nein |
möglich |
Schadensersatz vater) |
KG Berlin |
263 losen- geld) |
nein |
möglich |
Schadensersatz |
KG |
266 |
nicht schieden |
möglich |
Schadensersatz |
BGH 1 |
266 |
nicht schieden |
möglich |
Schadensersatz |
BGH |
266 |
nein |
möglich |
Schadensersatz |
BGH 4 |
263 |
nein |
möglich |
Schadensersatz verzichts- vertrag) |
BGH |
370 |
nein |
offen |
teilweise nachzahlung |
OLG Dresden |
266a |
möglich |
nicht schieden |
volle nachzahlung |
OLG |
242 |
möglich |
möglich |
Schadensersatz |
BGH 2 StR strafrecht. de |
223, |
möglich |
möglich |
Schmerzensgeld |
2. Sexual- und Gewaltdelikte
Fund- stelle |
Delikt |
TOA |
TOA |
Leistungen |
BGH |
315b, |
nicht |
möglich |
Schadensersatz |
BGH |
177 |
ggf. |
wohl |
Entschuldigung |
BGH |
176, |
möglich |
nicht schieden |
Schadensersatz |
OLG Stuttgart |
224 |
möglich |
möglich |
Schmerzensgeld |
LG |
249, |
möglich |
möglich |
Entschuldigung |
BayObLG 2 St RR 273/97 (17.12.97) NStZ |
229 |
möglich |
möglich |
Schmerzensgeld |
BGH |
249, |
möglich |
nicht schieden |
Entschuldigung, |
OLG |
223, |
ggf. |
möglich |
Schmerzensgeld |
OLG burhoff.de |
249, |
möglich |
nicht schieden |
Entschuldigung, |
BGH |
250 Nr. 2 |
nicht schieden |
möglich |
Schadensersatz |
LG B 102 – 20/99 (01.09.99) Streit 01, 36 |
176 |
eher |
eher |
Entschuldigung |
BGH |
253, |
nein |
nein |
Entschuldigung, |
BGH |
176 |
möglich |
eher |
Entschuldigung |
BGH |
211, |
möglich |
nicht schieden |
Schmerzensgeld |
BGH |
255 |
möglich |
wohl |
Beuterückgabe, |
BGH 3 |
177 |
möglich |
nicht schieden |
Entschuldigung, |
BGH |
255, |
möglich |
möglich |
Schadensersatz |
BGH |
176a |
möglich |
möglich |
Schmerzensgeld versorgung |
BGH 2 |
177 |
möglich |
nicht schieden |
Schmerzensgeld, kosten, Anwaltskosten, Entschuldigung |
BGH |
176a |
möglich |
nicht schieden |
Schmerzensgeld |
BGH |
Sexual- delikt |
möglich |
möglich |
Entschuldigung, |
3. Sonstige Delikte
Fund- stelle |
Delikt |
TOA |
TOA |
Leistungen |
BGH |
53 I Nr. 3a WaffG, |
ggf. |
möglich |
Schadensersatz |
BayObLG 4 St RR 33/96 (28.02.96) NStZ |
UStG, 370 AO |
nein |
ggf. |
Steuer- nachzahlung |
OLG |
267 |
möglich |
möglich |
Schadensersatz nützige Arbeit (TOA-Projekt |
BGH |
Insol- venz- delikte |
nicht schieden |
möglich |
ernsthaftes |
LG |
23a I, 25 II PartG, |
möglich |
möglich |
legale sammelaktion, Gericht diff. |
• Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB auf den vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht anwendbar
BGH, 4. Strafsenat, Urteil vom 04.12.2014 – 4 StR 213/14, NJW 2015, 500 (= JZ 2015, 310 m. Anm. Kaspar)
Obgleich § 46a StGB nach seinem Wortlaut in beiden Varianten für alle Delikte gilt, können sich aus den verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen, die in der Bestimmung festgeschrieben sind, Anwendungsbeschränkungen ergeben. § 46a Nr. 1 StGB zielt vorrangig auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat ab. Dazu bedarf es eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt ist. Dies und der Wortlaut des § 46a Nr. 1 StGB schließen eine Anwendung dieser Vorschrift auf „opferlose“ Delikte aus.
• Kein TOA bei Ablehnung angebotener Ausgleichszahlung unter Vorbehalt möglicher späterer Annahme
BGH, 1. Strafsenat, Beschluss vom 08.07.2014 – 1 StR 266/14, NStZ-RR 2014, 304
Nimmt das Opfer die vom Täter angebotene Ausgleichszahlung nicht an, behält sich aber eine spätere Annahme vor, fehlt es an dem für einen Täter-Opfer-Ausgleich i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB erforderlichen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, durch den sich das geschädigte Opfer auf freiwilliger Basis zu einem Ausgleich mit dem Täter bereit findet und die vom Täter angebotene Leistung Tatopfer als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.
• Keine Anerkennung TOA bei fehlender Verantwortungsübernahme
BGH, 5. Strafsenat, Beschluss vom 11.03.2014 – 5 StR 19/14, NStZ-RR 2014, 172
Zwar ist die Anerkennung eines Täter-Opfer-Ausgleichs i.S.d. § 46a Nr. 1 2. Alt. StGB nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Täter einzelne Umstände der Tat beschönigt. Jedoch stellt es die erforderliche, in einem ernsten Bestreben um Wiedergutmachung zum Ausdruck kommende Verantwortungsübernahme in Frage, wenn der Täter in einem Entschuldigungsschreiben an das Opfer eines arbeitsteilig geplanten und unter Würgen sowie Einsatz eines Messers durchgeführten Raubüberfalls ausführt, die Sache „sei dumm gelaufen“ und es sei nur Zufall gewesen, dass es gerade dieses Opfer getroffen habe
• TOA bei mehreren Geschädigten
BGH, 2. Strafsenat, Urteil vom 05.03.2014 – 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr 1 Ausgleich 10 (Gründe)
Werden durch eine Straftat mehrere Opfer betroffen, muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Alternative des § 46a StGB erfüllt sein. Ob darauf verzichtet werden kann, wenn ein Geschädigter ohne erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht des Täters im Sinne von § 46a Nr. 2 StGB vollständige oder überwiegende Entschädigung erlangt hat und hinsichtlich eines weiteren Opfers die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gegeben sind, bleibt offen.
• Rein rechnerische Kompensation erlittenen materiellen Schadens nicht ausreichend für Schadenswiedergutmachung i.S.v. § 46a Nr. 2 StGB
BGH, 2. Strafsenat, Urteil vom 11.09.2013 – 2 StR 131/13, NStZ-RR 2013, 372
Der bloße Verzicht des Angeklagten auf Rückgabe der bei ihm sichergestellten 150 Euro genügt nicht den Anforderungen an eine Schadenswiedergutmachung i.S.v. § 46a Nr. 2 StGB. Aus den Feststellungen ergibt sich weder, dass dies – was ohnehin fern liegt – für den Angeklagten eine erhebliche persönliche Leistung oder einen persönlichen Verzicht im Sinne der Vorschrift bedeutete, noch, dass sein Verhalten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung war. Eine rein rechnerische Kompensation erlittenen materiellen Schadens ist hierfür nicht ausreichend (…).
• Kein TOA bei Bestreiten der Opferrolle; Entschuldigung zum Beleg kommunikativen Prozesses bei schwerer Gewalttat nicht ausreichend
BGH, 4. Strafsenat, Urteil vom 23.5.2013 – 4 StR 109/13, NStZ-RR 2013, 240
§ 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“ sein muss (…). Daran fehlt es, wenn der Angeklagte einer gravierenden Gewalttat diese als Verteidigungshandlung gegen einen rechtswidrigen Angriff des Tatopfers hingestellt und somit schon die Opfer-Rolle des Geschädigten bestreitet.
Erklärt der Angeklagte hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs lediglich ein prozessuales Anerkenntnis „dem Grunde nach“, so ist darin kein kommunikativer „friedensstiftender“ Prozess zwischen den Beteiligten zu sehen. Auch reicht eine bloße Entschuldigung bei einer schweren Gewalttat mit erheblichen Verletzungsfolgen nicht aus.
• Für Absehen von Strafe nach § 46a StGB stets Gesamtschau notwendig
OLG Bamberg, 2. Strafsenat, Urteil vom 04.12.2012 – 2 Ss 101/12, NStZ-RR 2013, 109
Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 46a Nr. 1 oder Nr. 2 StGB handelt es sich bei § 46a StGB um einen vertypten Strafmilderungsgrund, der nach allgemeinen Regeln zu behandeln ist. Daher ist zunächst im Rahmen einer Gesamtbewertung darüber zu befinden , ob der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist. Nur wenn dies der Fall ist, erscheint überhaupt eine weitere Prüfung im Hinblick auf ein Absehen von Strafe veranlasst. Hierzu muss zunächst in einem weiteren Schritt eine (fiktive) Strafzumessung zur Bestimmung einer konkret verwirkten Strafe durchgeführt werden. Liegt diese unter 1 Jahr Freiheitsstrafe bzw. 360 Tagessätzen Geldstrafe, so kann in einem letzten Schritt entschieden werden, ob von Strafe abgesehen werden soll (vgl. Fischer § 46a Rn. 4 ff. m.w.N.; LK/Theune StGB 12. Aufl. § 46a Rn. 61 ff.).