Rechtssprechungsübersicht

Rechtsprechungsübersicht zu § 46 a StGB

Die folgende Entscheidungssammlung gibt einen knapp gefassten Überblick über die maßgeblichen Entscheidungen zum TOA, zusammengefasst nach Deliktsgruppen (in Anlehnung an Entscheidungsübersicht von Götting, LMU München, Lehrstuhl Schöch, n.v.).

1. Vermögensdelikte

Fund-

stelle

Delikt
§§ (StGB)

TOA
nach § 46 a Nr. 1 StGB

TOA
nach § 46 a Nr. 2 StGB

Leistungen
des Angeklagten /  Ergänzende Anmerkungen

Bay ObLG 3 St
RR 17/95 NJW 95,212

266

möglich

nicht
ent-

schieden

Schmerzensgeld
und Schuld-

anerkenntnis

OLG
Karlsruhe 1 Ss 192/95 (10.05.96) NJW 96, 3286

263,
267

nein

möglich

Schadensersatz
durch Dritten (Schwieger-

vater)

KG Berlin
(4) 1 Ss 15/16/96 (30.12.96) StV 97, 473

263
(Arbeits-

losen-

geld)

nein

möglich

Schadensersatz

KG
Berlin (4) 1 Ss 351/96 (21.08.97) Juris

266

nicht
ent-

schieden

möglich

Schadensersatz
(durch Nebentätigkeit)

BGH 1
StR 515/99 (19.10.99) NStZ 00, 83

266

nicht
ent-

schieden

möglich

Schadensersatz
(82% aus 1,7 Mio DM)

BGH
4 StR 435/99 (18.11.99) NStZ 00, 205

266

nein

möglich

Schadensersatz
(40% an jur. Person)

BGH 4
StR 271/00 (13.07.00) StV 01, 110

263
III, 266 II

nein

möglich

Schadensersatz
(90% durch Erb-

verzichts-

vertrag)

BGH
5 StR 399/00 (25.10.00) NStZ 01, 200

370
AO, 266a

nein

offen
gelassen

teilweise
Steuer-

nachzahlung

OLG Dresden
2 Ss 576/00 (15.12.00) Wistra 01, 277

266a

möglich

nicht
ent-

schieden

volle
Beitrags-

nachzahlung

OLG
Stuttgart 2 Ss (26) 298/01  (09.07.01) Juris

242

möglich

möglich

Schadensersatz
(keine Diff. zwischen Nr. 1 und Nr. 2)

BGH 2 StR
336/02 (20.09.02) www.hrr

strafrecht.

de

223,
224

möglich

möglich

Schmerzensgeld
(ohne Geständnis)

2. Sexual- und Gewaltdelikte

Fund-

stelle

Delikt
§§ (StGB)

TOA
nach § 46 a Nr. 1 StGB

TOA
nach § 46 a Nr. 2 StGB

Leistungen
des Angeklagten /  Ergänzende Anmerkungen

BGH
4 StR 755/94 (17.01.95) NStZ 95, 284

315b,
224, 316 II

nicht
erwähnt

möglich

Schadensersatz
und Schmerzensgeld

BGH
5 StR 156/95 (05.02.95) NStZ 95, 492

177
II, 224

ggf.
möglich

wohl
nicht

Entschuldigung
versucht und Schmerzensgeld

BGH
1 StR 476/95 (22.08.95) StV 95, 635

176,
182

möglich

nicht
ent-

schieden

Schadensersatz

OLG Stuttgart
1 Ss 38/96 (08.03.96) NStZ 96, 390

224

möglich

möglich

Schmerzensgeld

LG
Potsdam 24 KLs 34/97 (05.12.97) NJW 98, 214

249,
250

möglich

möglich

Entschuldigung
und Schmerzensgeld

BayObLG 2 St RR 273/97 (17.12.97) NStZ
98, 356

229
im Verkehr

möglich

möglich

Schmerzensgeld

BGH
1 StR 249/98 (17.06.98) StV 99, 89

249,
250, 224

möglich

nicht
ent-

schieden

Entschuldigung,
Schmerzensgeld und Schadensersatz; Geständnis

OLG
Hamm 2 Ss 972/98 (20.08.98) StV 99, 89

223,
185

ggf.
möglich

möglich

Schmerzensgeld
(Vergleich)

OLG
Hamm 4 Ss 45/99 (28.01.99) www.

burhoff.de

249,
223a, 240

möglich

nicht
ent-

schieden

Entschuldigung,
Schmerzensgeld

BGH
1 StR 77/99 (13.04.99) NStZ 99, 454

250
I

Nr. 2

nicht
ent-

schieden

möglich

Schadensersatz
(Bemühen reicht nicht)

LG
Köln

B 102 – 20/99 (01.09.99) Streit 01, 36

176
I, 177

eher
nein

eher
nein

Entschuldigung
versucht, Schmerzensgeld angeboten

BGH
3 StR 327/99 (08.09.99) StV 99, 610

253,
255, 250

nein

nein

Entschuldigung,
teilweiser Schadensersatz

BGH
4 StR 554/99 (14.12.99) StV 00, 129

176

möglich

eher
nein

Entschuldigung
und Schmerzensgeld 15 Fälle

BGH
1 StR 281/00 (12.07.00) StV 01, 230

211,
22, 23

möglich

nicht
ent-

schieden

Schmerzensgeld
(Teilabgeltung Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 DM)

BGH
4 StR 551/00 (20.02.01) StV 01, 346

255

möglich

wohl
nicht

Beuterückgabe,
Entschuldigung, Schmerzensgeld

BGH 3
StR 41/01 (22.02.01) StV 01, 457; NStZ-RR 01, 367

177
IV Nr. 1

möglich

nicht
ent-

schieden

Entschuldigung,
Versöhnung

BGH
2 StR 78/01 (25.05.01) NJW 01, 2557; StV 01,
448; StraFo 01, 425; Wistra
01, 335

255,
250

möglich

möglich

Schadensersatz
(45%) Schmerzensgeld (versucht) Entschuldigung; Raubüberfälle auf
Bankinstitut

BGH
1 StR 333/01 (22.08.01) NStZ 02, 29

176a

möglich

möglich

Schmerzensgeld
zu Lasten der Alters-

versorgung

BGH 2
StR 73/02 (31.05.02) NStZ 02, 646

177

möglich

nicht
ent-

schieden

Schmerzensgeld,
Heilbehandlungs-

kosten, Anwaltskosten, Entschuldigung

BGH
1 StR 184/02 (31.07.02) NStZ-RR 02, 329

176a

möglich

nicht
ent-

schieden

Schmerzensgeld

BGH
1 StR 405/02 (19.12.02) StraFo 03, 248

Sexual-

delikt

möglich

möglich

Entschuldigung,
Schmerzensgeld; keine Anwendung des § 46a StGB ohne Geständnis

3. Sonstige Delikte

Fund-

stelle

Delikt
§§ (StGB)

TOA
nach § 46 a Nr. 1 StGB

TOA
nach § 46 a Nr. 2 StGB

Leistungen
des Angeklagten /  Ergänzende Anmerkungen

BGH
1 StR 205/95 (25.07.95) NStZ 95, 492

53 I Nr. 3a WaffG,
323a 1.Alt, 224

ggf.
möglich

möglich

Schadensersatz
und Schmerzensgeld

BayObLG 4 St RR 33/96 (28.02.96) NStZ
97, 33

UStG, 370 AO

nein

ggf.
möglich

Steuer-

nachzahlung

OLG
Hamm 2 Ss 740/98 (24.07.98) StV 99, 89

267

möglich

möglich

Schadensersatz
und gemein-

nützige Arbeit (TOA-Projekt
Brücke Dortmund)

BGH
1 StR 661/99 (18.01.00) Wistra 00, 176

Insol-

venz-

delikte

nicht
ent-

schieden

möglich

ernsthaftes
Bemühen (Schadensersatz unklar)

LG
Bonn 27 Ar 2/01 (28.01.01) NStZ 01, 375

23a I, 25 II PartG,
266 I

möglich

möglich

legale
Spenden-

sammelaktion, Gericht diff.
nicht zwischen Nr. 1 und Nr. 2

Rechtsprechung zu § 46a StGB (2012- 2014)

Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB auf den vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht anwendbar

BGH, 4. Strafsenat, Urteil vom 04.12.2014 – 4 StR 213/14, NJW 2015, 500 (= JZ 2015, 310 m. Anm. Kaspar)

Obgleich § 46a StGB nach seinem Wortlaut in beiden Varianten für alle Delikte gilt, können sich aus den verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen, die in der Bestimmung festgeschrieben sind, Anwendungsbeschränkungen ergeben. § 46a Nr. 1 StGB zielt vorrangig auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat ab. Dazu bedarf es eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt ist. Dies und der Wortlaut des § 46a Nr. 1 StGB schließen eine Anwendung dieser Vorschrift auf „opferlose“ Delikte aus.

Kein TOA bei Ablehnung angebotener Ausgleichszahlung unter Vorbehalt möglicher späterer Annahme

BGH, 1. Strafsenat, Beschluss vom 08.07.2014 – 1 StR 266/14, NStZ-RR 2014, 304

Nimmt das Opfer die vom Täter angebotene Ausgleichszahlung nicht an, behält sich aber eine spätere Annahme vor, fehlt es an dem für einen Täter-Opfer-Ausgleich i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB erforderlichen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, durch den sich das geschädigte Opfer auf freiwilliger Basis zu einem Ausgleich mit dem Täter bereit findet und die vom Täter angebotene Leistung Tatopfer als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.

Keine Anerkennung TOA bei fehlender Verantwortungsübernahme

BGH, 5. Strafsenat, Beschluss vom 11.03.2014 – 5 StR 19/14, NStZ-RR 2014, 172

Zwar ist die Anerkennung eines Täter-Opfer-Ausgleichs i.S.d. § 46a Nr. 1 2. Alt. StGB nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Täter einzelne Umstände der Tat beschönigt. Jedoch stellt es die erforderliche, in einem ernsten Bestreben um Wiedergutmachung zum Ausdruck kommende Verantwortungsübernahme in Frage, wenn der Täter in einem Entschuldigungsschreiben an das Opfer eines arbeitsteilig geplanten und unter Würgen sowie Einsatz eines Messers durchgeführten Raubüberfalls ausführt, die Sache „sei dumm gelaufen“ und es sei nur Zufall gewesen, dass es gerade dieses Opfer getroffen habe

TOA bei mehreren Geschädigten

BGH, 2. Strafsenat, Urteil vom 05.03.2014 – 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr 1 Ausgleich 10 (Gründe)

Werden durch eine Straftat mehrere Opfer betroffen, muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Alternative des § 46a StGB erfüllt sein. Ob darauf verzichtet werden kann, wenn ein Geschädigter ohne erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht des Täters im Sinne von § 46a Nr. 2 StGB vollständige oder überwiegende Entschädigung erlangt hat und hinsichtlich eines weiteren Opfers die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gegeben sind, bleibt offen.

Rein rechnerische Kompensation erlittenen materiellen Schadens nicht ausreichend für Schadenswiedergutmachung i.S.v. § 46a Nr. 2 StGB

BGH, 2. Strafsenat, Urteil vom 11.09.2013 – 2 StR 131/13, NStZ-RR 2013, 372

Der bloße Verzicht des Angeklagten auf Rückgabe der bei ihm sichergestellten 150 Euro genügt nicht den Anforderungen an eine Schadenswiedergutmachung i.S.v. § 46a Nr. 2 StGB. Aus den Feststellungen ergibt sich weder, dass dies – was ohnehin fern liegt – für den Angeklagten eine erhebliche persönliche Leistung oder einen persönlichen Verzicht im Sinne der Vorschrift bedeutete, noch, dass sein Verhalten Ausdruck der Übernahme von Verantwortung war. Eine rein rechnerische Kompensation erlittenen materiellen Schadens ist hierfür nicht ausreichend (…).

Kein TOA bei Bestreiten der Opferrolle; Entschuldigung zum Beleg kommunikativen Prozesses bei schwerer Gewalttat nicht ausreichend

BGH, 4. Strafsenat, Urteil vom 23.5.2013 – 4 StR 109/13, NStZ-RR 2013, 240

§ 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“ sein muss (…). Daran fehlt es, wenn der Angeklagte einer gravierenden Gewalttat diese als Verteidigungshandlung gegen einen rechtswidrigen Angriff des Tatopfers hingestellt und somit schon die Opfer-Rolle des Geschädigten bestreitet.

Erklärt der Angeklagte hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs lediglich ein prozessuales Anerkenntnis „dem Grunde nach“, so ist darin kein kommunikativer „friedensstiftender“ Prozess zwischen den Beteiligten zu sehen. Auch reicht eine bloße Entschuldigung bei einer schweren Gewalttat mit erheblichen Verletzungsfolgen nicht aus.

Für Absehen von Strafe nach § 46a StGB stets Gesamtschau notwendig

OLG Bamberg, 2. Strafsenat, Urteil vom 04.12.2012 – 2 Ss 101/12, NStZ-RR 2013, 109

Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 46a Nr. 1 oder Nr. 2 StGB handelt es sich bei § 46a StGB um einen vertypten Strafmilderungsgrund, der nach allgemeinen Regeln zu behandeln ist. Daher ist zunächst im Rahmen einer Gesamtbewertung darüber zu befinden , ob der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist. Nur wenn dies der Fall ist, erscheint überhaupt eine weitere Prüfung im Hinblick auf ein Absehen von Strafe veranlasst. Hierzu muss zunächst in einem weiteren Schritt eine (fiktive) Strafzumessung zur Bestimmung einer konkret verwirkten Strafe durchgeführt werden. Liegt diese unter 1 Jahr Freiheitsstrafe bzw. 360 Tagessätzen Geldstrafe, so kann in einem letzten Schritt entschieden werden, ob von Strafe abgesehen werden soll (vgl. Fischer § 46a Rn. 4 ff. m.w.N.; LK/Theune StGB 12. Aufl. § 46a Rn. 61 ff.).